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Schuldig werden ist menschlich - verzeihen auch

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 Von Bernd Nagel

„Ich bin überzeugt, jeder Mensch kommt einmal in die Lage zu sagen: Das hier hätte mir nicht passieren dürfen; aber es ist passiert. Dann kommt es darauf an, dass er neu anfangen kann.“ So Margot Käßmann in einem Zeitungsinterview (ZEITmagazin, 19.02.2015).

Menschen handeln, werden schuldig an anderen und an sich selbst und Menschen verzeihen einander. Das ist normal. Es war die Philosophin Hannah Arendt, die darauf hingewiesen hat, dass Verfehlungen alltägliche Vorkommnisse sind, die sich schlicht aus der Natur des Handelns ergeben (Vita activa –oder Vom tätigen Leben, Stuttgart 1960). Wie aber leben mit den „bösen“ Taten, dem zugefügten Leid und dem daraus entstehenden schlechten Gewissen und Schuldgefühl? Wieder war es Hannah Arendt, die behauptet, das einzige „Heilmittel“ liege in der menschlichen Fähigkeit zu verzeihen, und damit bewusst an Jesus von Nazareth anknüpft: „Was das Verzeihen innerhalb des Bereiches menschlicher Angelegenheiten vermag, hat wohl Jesus von Nazareth zuerst gesehen und entdeckt.“ Sein sprichwörtlich gewordener Satz, man solle dem Schuldigen siebzigmal siebenmal vergeben (Matthäus, Kapitel 18, Vers 22), ist weder Sarkasmus im Blick auf mangelnde Vergebungsbereitschaft noch die Forderung, sich dem Mitmenschen grenzenlos auszuliefern. Es ist die Entlastung von Perfektionsansprüchen im mitmenschlichen Umgang und die Aufforderung zur Geduld mit dem anderen in der Anerkennung eigener Begrenztheit.

Von der Möglichkeit zur Geduld mit dem anderen spricht auch die amerikanische Professorin für Rhetorik Judith Butler in ihren Frankfurter Adorno-Vorlesungen aus dem Jahr 2002. Der Mensch könne niemals vollständig Rechenschaft über sich geben. Es gebe unverfügbare, im Unbewussten gespeicherte Anteile für unser Handeln, die zwar die Verantwortung nicht aufheben, aber in der Beurteilung von Taten relevant bleiben. Außerdem orientiere sich das Gewissen an gesellschaftlichen Normen, die nicht in Stein gemeißelt sind. Mit Michel Foucault fordert Butler dazu auf, immer neu ein lebendiges und kritisches Verhältnis zu bestehenden Normen zu gewinnen (Kritik der ethischen Gewalt, Frankfurt 2007).

Aus dem Gefühl, eine Norm übertreten oder gegen eine Regel verstoßen zu haben, entstehen Schuldgefühle. Zunächst kennt das Kind kein Gut und Böse, sondern erfährt allmählich durch das Verhalten der Eltern, was die Umgebung für gut oder böse hält. Seelsorgerinnen und Seelsorger unterstützen in Begegnungen einen entlastenden Umgang mit der Schuldfrage. Mit dem Seelsorgeausbilder Michael Klessmann regen sie dazu an, ein realistisches von einem unrealistischen Schuldbewusstsein zu unterscheiden (Seelsorge, Neukirchen 2008). Im ersten Fall lässt sich eigene Verantwortung am Geschehen benennen und der Betroffene reagiert nachvollziehbar mit Reue, übernimmt Verantwortung und kann die verschiedenen Faktoren, die zum Schuldgeschehen gehören, abwägen. Hier hilft es wenig, das geschilderte Verhalten zu verharmlosen oder vorschnell mit einem gnädigen Spruch zu relativieren. Der „Schuldige“ kann das „Opfer“ seiner Tat um Verzeihung bitten, und er kann sich mit seiner Schuld im Gebet aussprechen. In jedem Gottesdienst wird ein Schuldbekenntnis gesprochen und Vergebung zugesagt.

Das „Opfer“ einer schuldhaften Tat wiederum kann sich aus der Opferrolle befreien, wenn Verzeihen möglich ist. Da das Verzeihen sich immer nur auf die Person und nie auf die Sache bezieht, kann dies auch für den Umgang mit einer Schuld gelten, die eigentlich nicht verzeihbar ist. Das Bekennen eigener Schuld, das Verzeihen und die Annahme der Vergebung erzeugen den Freiraum für einen neuen Anfang.

       

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